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Luddi (1940 - 2023)

Er war überall nur als Luddi bekannt. Er war zweimal verheiratet und hatte auch zweimal den Nachnamen gewechselt. Er hat auch Wert daraufgelegt, für Alle nur Luddi zu sein. Jetzt ist der besonders in Süddeutschland bekannte Bläser gestorben und Dr. Bernd Romeike erinnert sich an einen begeisternden Musiker und seinen guten Freund.





Luddi war seit etwa Mitte der 60er-Jahre ein echtes Urgestein der Jagdreiterszene und der damit verbundenen Gemeinschaft der reiterlichen Parforcehornbläser. Ein echter Vollblutmusiker, der neben dem Horn auch die Gitarre meisterhaft beherrschte und als Sänger vorwiegend deutschen Liedgutes mit einem unglaublich umfangreichen Repertoire aufwartete. 

Unzählig sind die Bläserlehrgänge und -wettbewerbe oder die Schleppjagden mit schönen Abendveranstaltungen, bei denen Luddi über Jahrzehnte zur Höchstform auflief. Kaum jemand konnte sich seiner ansteckenden Begeisterung entziehen. Unvergessen, wenn um Mitternacht die Lichter ausgingen, Kerzen angezündet wurden und Luddi den „Pagen von Hofburgund“ zelebrierte. Unvergessen auch seine Reaktionen, wenn er nicht die verdiente Aufmerksamkeit bekam und die Anwesenden nicht mitsangen. In ihm steckte die nicht unberechtigte Angst, dass viel Sanges- und Dichtkultur verloren gehen könnte. Ihm ist es zu verdanken, dass der eine oder andere Liedtext im Gedächtnis bleibt und weiter gesungen wird. Vielen wird es so ergangen sein wie mir. Die Klänge verfolgten mich noch tagelang, klangen in meinen Ohren nach und erfüllten mein Herz mit einem großen, warmen Glücksgefühl.

Ähnlich muss es Annerose Greisl ergangen sein. Sie schrieb für ihn „Salut à Gensbourg“ und widmete ihm dieses Stück. Nun ist es an der Zeit, dieses wunderbare Meisterwerk auf der hervorragenden CD „St. Eustachius Messe“ des Bayerischen Parforcehornkreises Anjagd zu hören. Vielleicht ist dies auch eine gute Gelegenheit für die eine oder andere Jagdhornbläsergruppe, dieses grandiose Stück in ihr Repertoire aufzunehmen und damit nicht nur bei Veranstaltungen zu glänzen, sondern auch unserem Luddi ein schönes Andenken zu bewahren.

Einzigartig war auch Luddis Fähigkeit, schnell Kontakte zu knüpfen und außergewöhnliche Begegnungen zu schaffen. Seine Abenteuerlust und Offenheit sorgten für magische Momente. Ein persönliches Highlight unter vielen war eine unvergessliche Reise ins Elsass. Zuvor hatten wir gemeinsam als Bläserduo einen legendären Kutschenkorso begleitet. Dieser findet seit der Nachkriegszeit immer am 1. Mai abwechselnd in Baden oder im Elsass statt. Luddi wollte mir dann noch die „Jagdhütte“ in Oberhaslach zeigen. Übrigens hatte er hier, wie schon zuvor in Roupeldange, einen wunderschönen Pferdestall in Eigenarbeit gebaut. Luddi sprudelte während unserer Fahrten oft über vor Ideen. So hielten wir in Oberhaslach vor der Kirche, um sie mit unserem schönen Hörnerklang zu erfüllen. Wir spielten das „Jägergebet“ von Josef Schantl. Als wir fertig waren, saß hinten auf einer Bank ein älterer Herr mit seiner Frau. Er hatte uns auf dem Friedhof nebenan gehört und war sofort in die Kirche gekommen. Seine Augen waren voller Tränen. Er hatte von seinem leider früh verstorbenen Vater eine Schallplatte mit Parforcehornmusik geerbt. Diese Platte war etwas ganz Besonderes für ihn und weckte in ihm schöne Erinnerungen und Gefühle. Bis zu diesem besonderen Tag in seinem Leben hatte er noch nie Parforcehörner leibhaftig gesehen oder erlebt. Was für eine Offenbarung.   Natürlich verbrachten wir den Rest des Tages noch gemeinsam, spielten ihm und seiner Frau noch ein paar Stücke aus der Jagdmusik vor und ließen uns von den kulinarischen Köstlichkeiten des Elsass verwöhnen. Am Ende entstand auch aus dieser Begegnung eine langjährige Freundschaft.

Freundschaften hatten für Luddi eine ganz besondere Bedeutung. Er erfüllte sie mit selbstloser Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft. Als treuer Freund stand er auch ohne Aufforderung, ohne Zögern und ohne Erwartungen bereit. Seine selbstlose Art zeigte sich zum Beispiel, als meine Frau und ich uns mit dem Kauf eines historischen Anwesens in Ormesheim beinahe übernommen hätten. Im Gegensatz zu uns hatte Luddi die Situation sofort erkannt. So stand er eines Morgens ungefragt und aus eigenem Antrieb im Blaumann vor der Tür. Sein Kleintransporter war vollgepackt mit Werkzeug und von seiner lieben Frau brachte er uns vorgekochtes Essen für eine ganze Woche mit, zumal die gesamte Küche noch innerhalb einer Woche gefliest und eingebaut werden musste. So schafften wir es am Ende doch noch rechtzeitig, in eine herrlich wohnliche Atmosphäre einzuziehen. Zudem lernte ich in dieser Zeit Luddis besondere Liebe zum Detail kennen und entwickelte schließlich selbst ein Auge für besondere Details: Für die geölten Holzdielen wollte Luddis unbedingt massive Messingschlitzschrauben. Jedes Loch wurde sorgfältig vorgebohrt und am Ende haben wir gemeinsam alle Schraubenschlitze exakt waagerecht ausgerichtet.

Ein weiteres Beispiel für seinen Sinn für Ästhetik und sein außergewöhnliches handwerkliches Geschick konnte ich an einem gemeinsamen Wochenende in einer Schmiede erleben. Am Morgen kauften wir im Baumarkt einfache Flacheisen. Im Laufe des Tages schmiedeten wir Scharniere und Griffe für eine antike Eichentruhe. Luddi hat mir dabei die Augen für echte Schmiedekunst geöffnet. Heute kann ich sehen, wie viel Arbeit in einem geschmiedeten Eisen steckt und wie sich diese Kunst von der Arbeit eines Schlossers unterscheidet. Aber das ist nur ein Beispiel dafür, wie mein lieber Freund Luddi meine Sicht auf viele Dinge für immer verändert hat. Die Ergebnisse vieler gemeinsamer Arbeiten werden uns noch viele Jahre erfreuen und sind echte Zeichen seiner unerschütterlichen Freundschaft.

Knapp zwei Monate bevor Luddi seinem Fährmann begegnete, hatte ich noch einmal das große Glück, mit ihm eine tolle Zeit in der Pfalz zu verbringen. Mit Luddi wandelte ich noch einmal auf alten Pfaden, wir spielten gemeinsam Horn in einer Wallfahrtskirche, wo uns das alte Küsterehepaar überraschte. Zum Dank bekamen wir spontan eine exklusive Führung durch die eigentlich geheime Turmstube, die sonst der Bischof nach der Wallfahrt nutzt, um sich vor der Predigt auszuruhen und zu stärken. Solche Geschichten sind mir nur mit Luddi passiert.

Seine Art, sein einzigartiges Repertoire und seine Gitarre waren nicht nur Unterhaltung, sie sind sein Vermächtnis. Er schuf ein Band, das Menschen zusammenbrachte, Herzen erwärmte und manchmal auch die Augen feucht werden ließ.

Luddi hinterlässt eine unvergessliche Spur in den Herzen all derer, die das Glück hatten, ihn zu kennen.

Text und Bild: Dr. Bernd Romeike

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